Es gibt viele Menschen, die im Schreibcoaching oder in der Beratung auf mich zukommen und sagen: „Ich möchte vom Schreiben leben.“ Kennst du diesen Wunsch?
Manchmal kommt es mir so vor, dass ich, egal wohin ich gehe – ob zu einer privaten Einladung oder auf große Konferenzen – überall Autoren unterwegs sind. Menschen, die ein Manuskript in der Schublade haben und eigentlich nichts lieber tun würden als zu schreiben – nur noch schreiben.
In diesem Beitrag möchte ich dir einen realistischen Blick auf die Dinge geben. Ist es möglich, vom Schreiben zu leben und wie kann es funktionieren?
Eins vorweg: Du wirst deine eigenen Erfahrungen machen. Du hast deine persönlichen Wahrnehmungen und Erlebnisse, und im besten Falle ergänzen sich unsere Realitäten.
Ich kann die Frage für mich mit einem klaren Ja bestätigen. Ich lebe vom Schreiben. Es war für mich schon als Kind ein großer Traum, vom Schreiben mein Leben zu bestreiten. Es gibt einige Autoren, die sich einen soliden Lebensunterhalt mit ihrer Autorentätigkeit verdienen. Bei anderen reicht es nicht – und sie sind, ohne dass ich konkrete Zahlen kenne, mit großer Wahrscheinlichkeit in der Überzahl.
Nur du selbst weißt, wie viel Geld du monatlich brauchst, um gut über die Runden zu kommen oder das Gefühl zu haben, dich frei zu fühlen. Der eine Mensch braucht 3.000 Euro, um alle Rechnungen zu bezahlen und seinen Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen – ein anderer braucht 30.000 Euro dafür.
Wahre Begebenheiten und persönliche Erfahrungen
Ich selbst bin für mein Leben und meine monatlichen Einnahmen schon immer eigenverantwortlich. Das ist also schon vorweg ein ganz anderer Standpunkt als der von einem Menschen, der für sich festlegt, dass das Schreiben ein Nebenerwerb sein soll und nicht das große Geld bringen muss. Auch Schreiben als Hobby ist ja durchaus möglich – und vielleicht ist es im einen oder anderen Falle sogar besser, es unter dieser Prämisse anzugehen. Denn ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, wie stressig es ist, wenn die Gelder kommen müssten – sie aber nicht kommen.
Für mich persönlich war der Weg bis zu dem Punkt, an dem ich heute stehe, nicht geradlinig. Ich bin meinen Gaben und Talenten gefolgt. Bevor meine Bücher veröffentlicht wurden, habe ich mein Geld als Werbetexterin verdient. Teilweise habe ich in einer Filiale einer großen Naturkosmetik-Kette gejobbt, um die Selbständigkeit zu unterfüttern.
Der Weg ist das Ziel
Nach und nach kamen zunehmend Aufträge. Meine Kunden hatten Vertrauen in mich und versorgten mich regelmäßig weiter mit Aufträgen – allerdings nie in berechenbarer Zahl und Größe.
Es waren sehr umtriebige Jahre damals, und sind es heute noch. Ich bin immer noch eine Frau, die eher 10-14 Stunden am Tag am Schreibtisch sitzt, darunter an vielen Abenden und Wochenenden. Einfach, weil das Schreiben ein Beruf ist, der viel Zeit braucht.
Bei mir geschah also nichts über Nacht. Es mag Menschen geben, die sehr schnell erfolgreich werden, doch ich kenne keinen einzelnen. Mein eigener Weg bestand aus sehr viel Arbeit, oft knallharter Disziplin. Denn Deadlines wollen eingehalten werden – auch wenn man seine „Tage“, einen fiebrigen Infekt oder gerade frisch eine OP hinter sich hat.
Die richtige Schreibkompetenz
Schauen wir uns die Seite des Handwerks an. Welche Voraussetzungen brauchst du, vom Schreiben leben zu können?
Der erste Punkt ist natürlich deine absolute Schreibkompetenz, dein Handwerk zu beherrschen wie ein toller Bäcker oder eine Zimmersfrau. Schreiben ist und bleibt ein Handwerk. Das dürfen wir nicht vergessen – Künstliche Intelligenz hin oder her.
Übe täglich, lerne von anderen, und halte deine Qualität hoch und immer höher. Die Routine und das Standing, die du dir dadurch erarbeitest, werden sich langfristig bezahlt machen.
Kannst du dich selbst vermarkten?
Neben der Schreibkompetenz ist auch Selbstvermarktung ein wesentlicher Erfolgspfeiler. Es gibt Menschen, die sind gut darin, ihre Werke zu präsentieren und sich regelmäßig zu zeigen – auf Social Media oder in Präsenz. Andere tun sich damit schwer.
Finde deinen eigenen Weg und nutze deine Stärken.
Verschiedene Einkommensquellen
Mein Weg hat sich durch verschiedene Einkommensquellen entwickelt – sei es durch das schon genannte Werbetexten, Coaching oder Ghostwriting. Meine Tätigkeit hat letztlich immer mit dem Wort und dem Schreiben zu tun.
Geduld ist jedoch entscheidend. Wenn du vom Schreiben leben willst, sei bereit, neben deinem Brotjob kontinuierlich an deinem Handwerk zu arbeiten und ein Werk nach dem anderen zu veröffentlichen. Manchmal über viele Jahre. Dies kann dir das Gefühl geben, zwei oder drei Fulltime-Jobs zu haben. Ich kann dir sagen: Das ist normal. Und es ist wichtig für dich zu entscheiden, ob du das willst.
Solltest du deinen Brotjob aufgeben?
„Soll ich meinen Brotjob aufgeben, um mehr Zeit fürs Schreiben zu haben?“ ist auch eine häufige Frage, die mir gestellt wird. Ich habe Phasen gehabt, in denen ich das probiert habe und dann gemerkt, dass das extrem stressig sein kann. Die Mühlen der Verlagswelt mahlen laaaaangsam. Bis du eine Rückmeldung bekommst, bei einer Zusage ein Vertrag auf dem Tisch liegt und Geld fließt, vergeht viel Zeit. Sei dir sicher, dass du finanziell abgesichert bist, bevor du diesen Schritt machst.
Ich hoffe, dieser Blogbeitrag gibt dir einen umfassenden und ehrlichen Einblick, wie es ist, vom Schreiben zu leben.
Klare und gute Entscheidungen wünsche ich dir auf deinem Weg zum erfolgreichen Autor, zur erfolgreichen Autorin!
Karen Christine Angermayer