Zettelwirtschaft ade: Wohin mit all den Ideen?

Im Laufe der Bucharbeit kommen viele Gedanken und Ideen zusammen. So manch einer notiert gern auf einem Stück Papier, einem Post-it, einer Serviette oder einem Kassenbon den gerade durch die Hirnwindungen schießenden Geistesblitz. „Hab dich!“ Keine einzige Welt-Idee soll schließlich verloren gehen. Das Ende vom Lied: Scharen von Post-its, Servietten oder Kassenbons bevölkern unser Leben, liegen im Büro, im Auto, auf dem Küchentisch, bewalden die Pinnwand … Das muss nicht sein. Bei aller Sprudelei, die ja gewünscht und gewollt ist, gibt es gute Helfer, um innerlich wie äußerlich den Überblick zu bewahren.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass uns die guten Einfälle oft ereilen, wenn wir gerade nicht am Schreibtisch sitzen. Bei mir passiert das weniger unter der vielzitierten Dusche, aber sehr oft im Auto auf meinen wöchentlichen Pendel-Fahrten zwischen meinen beiden Lebens- und Wirkungsorten: dem Bodensee und Rheinhessen. Auch an der Kasse im Supermarkt. Und gerne in längeren Sitzrunden, in denen ich eh nicht gerne sitze.

Auch während der Arbeit an einem Kapitel kommen oft schon Ideen für das nächste oder übernächste Kapitel – oder für ein ganz anderes Buchprojekt. Gut, wenn wir dieser Ideenflut Herr werden. Da ich persönlich, bedingt durch meinen Beruf, immer an mehreren Buchprojekten gleichzeitig arbeite, die sich alle in verschiedenen Stadien befinden, und da ich nicht ein Büro habe, sondern 2, die 300 Kilometer auseinanderliegen, musste ich mir im Laufe der Jahre etwas einfallen lassen. Einfach muss es sein! Das ist bei mir immer die Devise. Und viel kosten soll es auch nicht. Das Unternehmerleben und Elternsein kostet schon genug.

 

Im Folgenden daher ein paar Tipps und gängige Wege, auf welche Arten bzw. mit welchen Mitteln du deine Ideen ganz einfach sammeln und speichern kannst. Sicher verwendest du schon einige davon, doch vielleicht ist noch mal ein neuer Gedanke dabei. Dann hätten sich meine stundenlange (ach was, wochenlange!) Recherche für dieses Kapitel und der schiere Wahnsinn an herumfliegenden Zetteln, Servietten und Kassenbons mit darauf gekritzelten Ideen schon gelohnt.

Zunächst die Frage: „Welcher Struktur-Typ bist du?“ Der Papierliebhaber oder der modisch Papierlose?

Es gibt Menschen, die haben mit Computern wenig bis gar nichts am Hut. Diesen Menschen tut es gut und es gibt ihnen Sicherheit, von Hand auf Papier zu schreiben. Lieber machen sie sich hinterher die Mühe und tippen alles ab – oder lassen tippen, bloß um nicht zu viel Technik in ihrem Leben zu haben. Auch ich verwende, wie du gleich sehen wirst, noch einiges an Papier. Das bleibt in meinem Beruf gar nicht aus.

Dann gibt es die komplett Papierfreien, die ich sehr bewundere. Diese Menschen besitzen nichts, was irgendwie nach Papier oder hölzerner Herkunft aussieht, keine Zettel fliegen bei ihnen auf dem Schreibtisch herum. Sie schleppen keine Ordner, haben keinen Block bei sich, man sieht sie nicht mit Stiften, sondern nur mit „devices“ auf Konferenzen und in Terminen. Verträge und sonstige Dokumente werden von ihnen gleich nach der Unterschrift eingescannt und digital abgelegt, wenn sie nicht eh schon digital unterzeichnet wurden und nie Luft geatmet haben (was atmet man eigentlich im digitalen Raum?).

Dieser Weg scheint mir sehr befreiend!

Mir selbst gelingt dies leider (noch) nicht. Ich achte sehr darauf, nicht alles auszudrucken, doch die Prüfung von Texten und Manuskripten gelingt mir, wie bereits gesagt, auf Papier besser als rein auf dem Bildschirm. Ich bin auch keine E-Book-Leserin. Ich besitze welche, aber mein fotografisches Gedächtnis merkt sich Inhalte interessanterweise zuverlässiger, wenn ich Papier dazu in Händen halte oder ein gedrucktes Buch. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, ich lasse mich gerne hier belehren.

Und dann gibt es noch die dritte Art – die Nicht-Strukturierer. Weder in Papierform noch digital. Alles wuchert wild. Sie finden trotzdem alles wieder. (Oder auch nichts.) Man muss diesen Zustand mögen.

Diese Menschen brauchen keine Tipps zum Thema „Wohin mit meinen Ideen?“ – es ist bei ihnen einfach alles da. Irgendwo.

Wenn du zu den beiden Erstgenannten gehörst, möchtest du dir die folgenden Abschnitte vielleicht einfach mal anschauen.

Fangen wir mit dem guten alten Papier an.

 

Die klassische Kladde.

Notizbuch sagt man auch dazu. Es gibt sie in den Größen DIN A4 und A5. A4 habe ich schon immer sehr geliebt, weil man viel Platz zum Schreiben hat. Ich nutze generell gerne unliniertes und unkariertes Papier, damit die wilden Ideen nicht gleich „eingekastelt“ werden.

In ein solches Buch kannst du von einzelnen Gedankenfetzen bis hin zu Kapitelentwürfen alles schreiben. Auch spätere Marketing-Ideen, Listen potenzieller Multiplikatoren und was du alles rund um dein Buch brauchst. Das Schöne hierbei ist, dass du diese Kladde mit deinem Projekt identifizierst (damit gibst du deinem Buch eine Priorität!), dass sie schmal ist, gut in fast jede Tasche passt und du sie dadurch überall hin mitnehmen kannst.

Nachteil ist: Du findest nicht alles gleich wieder, sondern musst blättern. Und: Papier ist schwer. Wenn du bereits viel Material dabei hast auf dem Weg zum Büro, wie zum Beispiel deinen Laptop, Projektmappen etc. oder an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitest, dann möchtest du nicht 3 bis 4 Kladden dabeihaben.

 

Auf Konferenzen nutze ich sie allerdings immer noch gerne. Ich habe das Gefühl, dass ich die Inhalte besser verinnerliche, wenn ich sie von Hand notiert habe. Außerdem möchte ich den Referenten auf der Bühne nicht durch mein Tippen und den ständigen Blick auf den Bildschirm stören oder ihm das Gefühl vermitteln, ich hörte gar nicht zu und würde gerade meinen E-Mail-Posteingang bearbeiten.

 

Hängemappen und Ringordner.

Zurzeit arbeite ich am liebsten mit Ablagesystemen wie dem von Mappei oder Classei (keine Werbung, einfach eine gute Erfahrung). Hängemappen helfen mir dabei, sowohl die Korrespondenz zum Buch wie auch die verschiedenen Textversionen, Brainstormings, Inhaltsverzeichnisse, Recherchematerial etc. sehr übersichtlich und schlank im Auge zu behalten.

Parallel dazu begleitet mich der klassische Ordner. Nur wird der auf Dauer schwer, ist unpraktisch beim Transport – und meistens füllt er sich nie ganz oder ist übervoll. Ich fasse in einem solchen Ordner inzwischen entweder mehrere Projekte zusammen oder nutze nur noch die Hängemappen. Diese kann ich nach Projektende ins Archiv geben und habe wieder Platz für Neues.

Manche Menschen arbeiten gern mit Stehsammlern. Mir gefällt die Idee an sich, dass Papier besser stehen als liegen sollte – dennoch habe ich es bisher immer geschafft, Stehsammler so vollzustopfen (oder nichts Wichtiges hineinzutun), dass ich keinen Überblick mehr behielt (oder sie umfielen, weil nicht genug befüllt). Da hätte das Papier gleich sauber in Aktenhüllen gestapelt neben mir liegen können. Probieren geht auch hier über studieren – jeder Mensch ist anders!

 

 

 

Karteikarten.

Karteikarten in mehreren Farben sind eine gute Erfindung. Man hat darauf nur wenig Platz, muss sich fokussieren, die Gedanken ganz klar fassen, und man kann sie hin und her schieben, zum Beispiel auf dem Bürotisch, dem Küchentisch oder der Pinnwand.

Auf diese Weise lassen sich Inhalte für ein Buch oder die Struktur für ein Kapitel probeweise ganz neu ordnen, ohne dass man dies in der Datei direkt tun muss und dabei das Manuskript „verschandelt“ oder, noch schlimmer, unbemerkt ganze Textteile löscht und sie neu schreiben muss.

Kleiner Tipp am Rande: Ich „überschreibe“ keine Dateien, sondern gebe jeder Datei an dem Tag, an dem ich daran arbeite, das aktuelle Datum, zum Beispiel mit Unterstrich am Ende. So kann ich, sollte ich mich einmal verrannt und die Dinge eher verschlimmbessert haben, wieder auf die Datei vom Vortrag zurückgreifen.

Mittlerweile bin ich hier zu der virtuellen Variante übergegangen, zu der ich weiter unten in der „digitalen Abteilung“ komme.

 

Pinnwand oder Whiteboard.

Eine Pinnwand oder ein Whiteboard bieten die Möglichkeit, Notizen oder Karteikarten mit Abstand zu betrachten und so den Überblick über ein Projekt zu behalten. Man muss sie nicht wegräumen, den Tisch wieder freimachen, sondern kann mehrmals am Tag an ihnen vorbeigehen, etwas ergänzen, das Projekt so unbewusst „weiterarbeiten“ lassen – und behält dabei jederzeit die Helikopter-Perspektive, taucht nicht zu tief ein.

 

Letzte Ausfahrt: Box oder Kiste.

Wer bereits ein heilloses Durcheinander an Zetteln und Ausdrucken hat – ich hatte mal einen Kunden, der besaß mehrere volle Kartons mit Papier, die ihn so gelähmt haben, dass er das Buch nie zu schreiben begann! –, der sollte nur noch eines tun: alles reinpacken, die Kiste(n) mit dem Namen des Projekts beschriften. Und das Ganze eine Weile nicht anschauen. Im besten Falle nie mehr.

Durcheinander in Papierform kann einen wirklich fertig machen. Also – ab in die Kiste (eine hübsche bunte oder ein frischer Umzugskarton) und nicht mehr angeschaut. Im Zweifel braucht man all diese Zettel und Papiere nie wieder. Denn die wichtigen Dinge sind sowieso alle in dir!

Schauen wir uns jetzt noch die digitalen Pendants an Sammelmöglichkeiten an.

Der klassische Dateiordner.

So arbeite ich überwiegend. Wenn mir Ideen kommen, die ich nicht auf Papier schreibe, fasse ich sie in einem Word-Dokument zusammen und speichere die Datei unter dem jeweiligen Titel (zum Beispiel „Erste Gedanken“, „Exposé“, „Inhaltsverzeichnis“, „Titelbrainstorming“ etc.) ab. Wie in der Papierwelt auch ist eine gute Struktur in der Dateiablage wichtig, um die Projekte und ihre Unterordner leicht wiederzufinden. Es empfiehlt sich, die gleiche Struktur wiederkehrend auf jedes Projekt anzuwenden. Wie in der sonstigen Büro-Kommunikation auch. Wenn du darin nicht fit bist, hole dir Hilfe, lies ein gutes Buch dazu oder recherchiere im Internet. Es wird dein Leben sehr viel leichter machen, wenn du gut sortiert bist.

 

Apps.

Mittlerweile gibt es einige Apps zum Notizensammeln fürs Handy und Tablet. Eine der bekannteren ist Evernote. Es gibt mittlerweile noch viele weitere. Ich selbst habe bislang nur mit Evernote gearbeitet und war damit sehr zufrieden. Wenn du mit mehreren Partnern an einem Projekt arbeitest, empfiehlt es sich, eine App zu nehmen, innerhalb der du Inhalte teilen und gemeinsam bearbeiten kannst. Mit Evernote und auch Plattformen wie Google Drive funktioniert das wunderbar. Wichtig ist bei der gemeinsamen Arbeit, den Überblick zu behalten: Wer arbeitet wann an was? Sonst gibt es Kuddelmuddel in den verschiedenen Textversionen. Das macht nur unnötig graue Haare.

 

Wenn’s ganz schnell gehen soll: Notizfunktion, Sprachmemo und E-Mail

Die klassische Notizfunktion deines Handys hilft, um unterwegs ganz fix ein paar Gedanken festzuhalten, die nicht verloren gehen sollen. Du kannst dir die Notiz selbst per E-Mail schicken. Ich selbst schreibe mir oft von unterwegs eine kurze Mail, wenn mich ein Geistesblitz ereilt. Diese finde ich bei der Rückkehr an meinen Schreibtisch am Computer vor und kann sie weiterbearbeiten oder im Projekt abspeichern. Auch Sprachmemos eignen sich sehr gut, wenn du die Stimmung eines Textes einfangen möchtest, die handgeschrieben oder per E-Mail gern verloren geht. Sprich dir unterwegs (beim Joggen, Walken etc.) die Gedanken in deinem O-Ton auf Band und höre sie später ab, wenn du sie brauchst.

Auch Sprachmemos kannst du per E-Mail an dich senden, damit sie nicht verloren gehen. Gib ihnen am besten gleich den richtigen Projektnamen, sonst wird es mühsam, sie später zu suchen!

 

Virtuelle Whiteboards.

Inzwischen neben dem klassischen Dateiordner und der Hängemappe mein liebstes Tool. Ich habe es für mich entdeckt, als ich eine Krimi-Reihe zu entwickeln begann. Eine solche Reihe besteht aus vielen Charakteren, verschiedensten Handlungssträngen, dramaturgischen Bögen, Ideen für weitere Episoden … Viele Dimensionen also, viele Richtungen, in die man denken muss und will. Da entsteht im Kopf und auch auf Papier schnell ein Wust.

Virtuelle Whiteboards wie zum Beispiel von miro.com (keine Werbung, auch hier ein Erfahrungsbericht) gestatten es dir, Flowcharts zu erstellen, virtuelle Post-its in deinem „Raum“ zu verteilen – und diese auch mit anderen zu teilen. Selbst gemeinsame Online-Brainstormings zu einem Projekt sind möglich, bei denen man die geposteten Ideen der anderen Teilnehmer live sieht. Kostenfrei können die ersten 3 Boards erstellt werden.

Mein Tipp: Ganz ehrlich, es geht nicht darum, zum Superhelden zu werden. Ich selbst bin auch nicht die Vorzeige-Strukturiererin. Ich verfüge in der Regel über sehr gute Struktur in allen Dingen, weil ich diese Ordnung in meinem Alltag brauche, sie mich klar bleiben lässt inmitten der vielen Projekte und Kundenwünsche. Es gibt aber Dinge, die brauchen einfach ihren Lauf. Freiraum. Platz zum Spielen. Und den räume ich ein. Da liegt auch mal was rum bei mir. Und es ist auch nicht immer alles gleich und sofort abgelegt zu einem Projekt. Doch worum ich mich bei aller kreativen Freiheit bemühe, ist, alles für EIN Projekt an EINEM Platz zu haben.

In EINEM Ordner oder in EINER Tragekiste. In EINER Kladde bzw. EINER Hängemappe. Der Rest passiert elektronisch: In EINEM Dateiordner, der den Namen des Projektes trägt und Unterordner hat wie „Material“, „Erste Fassung“, „Zweite Fassung“, „Lektoratsfassung“, „Korrektoratsfassung“, „Finale Druckdaten“, „Strandgut“ für Reste usw.

E-Mails zum Projekt gehen auch direkt in den Ordner zum jeweiligen Buchprojekt oder Autor, für den ich tätig bin. Auch dein E-Mail-Programm hat optimalerweise die gleiche Struktur wie deine sonstige Büro-Ablage. Denn wir alle kennen es: Ist man auch nur ein paar Tage nachlässig in punkto Ablage, mit der papiernen wie der virtuellen, sprießt das Unkraut. Schriftstücke liegen auf dem Schreibtisch herum, eine Art zäher E-Mail-Bodensatz sammelt sich am unteren Ende des Posteingangs an. Ordnung hat immer auch mit Disziplin zu tun. Und die ist beim Schreiben, neben aller kreativen Freiheit und Schönheit, oberstes Gebot.

Essenz: Denke mal darüber nach, welcher Strukturier-Typ du bist. Papier oder virtuell? Oder eine Mischform? Womit hast du bisher gute Erfahrungen gemacht? Womit weniger gute? Lege dir das entsprechende Material zu, das dich anspricht: die passende App. Eine schöne neue Projektkiste. Ein frisches, farbiges Notizbuch oder Ordner, die dir Lust auf das Projekt machen.

Wenn du pendeln solltest, so wie ich, dann hab die jeweiligen Dateien und die Kisten/Kladden immer dabei. Organisiere dein Auto und auch deine anderen Lebensräume so, wie du dein Büro organisierst! Halte alles möglichst frei und sauber, um einen klaren Kopf zu bewahren. Die Betonung liegt auf möglichst, es geht nicht um Perfektionismus.

Zu guter Letzt eine kleine Beruhigungstablette. Bei den vielen Büchern, die ich schon für Verlage und Kollegen verfassen durfte, habe ich eines festgestellt: Die guten Ideen sind immer an meiner Seite geblieben. Sie gehen nicht verloren. Ob wir sie nun akribisch strukturieren oder nicht. Ob wir die über Jahre gesammelten Papierstapel jemals durchgehen oder nicht … Was wichtig ist, ist in dir. Und es bleibt bei dir. Oftmals wird ein Buch umso besser, wenn wir mit frischem Kopf noch einmal von vorne starten und das alte Zeug nicht mehr anschauen!

Darauf kannst du vertrauen. Alles andere, jeder Zettel, jede Notiz ist eher eine Gedankenstütze. Ein Feld, eine Spielwiese, um dich auszuprobieren. Ideen festzuhalten, um zu sehen, wie sie ein paar Tage oder Wochen später noch wirken. Oder ob sie ihre Wirkung verloren haben. Dann weg damit! Sei radikal beim Aussortieren, wie bei der Kleidung, die du nicht mehr trägst, die aber immer noch im Schrank rumlungert. Raus damit. Kopf frei machen. Deine Muse will es ja schließlich auch ein bisschen schön haben bei dir. Und dann los!

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